FRIEDA GRAFE: Zu Marlene Dietrich / 3
Zu Marlene Dietrichs 100. Geburtstag (Fortsetzung)
Heute sagt man cool , damals in Berlin war man schnodderig, was nicht das Gleiche ist. Sternberg war beeindruckt von der Frau, die von der Vorspielsituation sich ihre Gelassenheit und ihren Gleichmut nicht rauben ließ. Auf eine solche Kaltblütigkeit, auf eine Attitüde dieser Art war er nicht gefasst – die Erklärung später, in seiner Autobiografie, ist nicht die einzig mögliche und nicht auch einzig richtig. Wer hat da was von wem abgeschaut? Verzögerung ist alles, lernte sie später bei ihm und wandte seinen Rat an auf ihre Gesten, ihre Repliken und ihren Augenaufschlag, der dadurch alles Neckische verlor.
Wo andere Stars nur ihre Großaufnahmen zählten, wusste sie, welches Licht, welche Objektive, welche Einstellungsarten ihrem Gesicht, ihrem Körper vorteilhaft waren. Sie war ein Profi, wiederholten die Regisseure, die mir ihr arbeiteten, meistens mehr verwundert als bewundernd, weil sie gewohnt waren, dass sich die Kameraleute für sie um diese Details kümmerten. Sie brauchte nur einen Moment lang in ihrer Aufmerksamkeit, auf diese Dinge nachzulassen – man sieht es in Desire, wo Frank Borzage die Regie hatte – , dann sieht sie anders aus.
Sternberg hat durch ihre Zuneigung eine Zeit lang seinen Narzissmus in Schach gehalten, was seiner Kunst, seinem Filmverständnis zugute kam. »Was bin Ich schon ohne Dich«, hat er hellsichtig vorausschauend nach Shanghai Express unter ein Foto von sich für Marlene gekritzelt. Nach sieben Filmen, so sah er es, war er fertig mit Marlene (»through with her«). Und sie mit ihm – das bezog sich auf seine Person, nicht auf seine Kunst. Die letzten beiden Filme waren, nachdem es zum Streit mit der Paramount gekommen und Blonde Venus in Amerika ein Misserfolg geworden war, nur durch eine Klausel in ihrem Vertrag mit der Paramount entstanden. Unerträglich für ihn, von dem Star, den er gemacht hatte, abzuhängen.
Sie hat seine Kunst immer hochgehalten. Dass sie nach ihm rief, als Rouben Mamoulian 1933 Song of Songs mit ihr drehte, versteht sich nicht so sehr aus ihrer schauspielerischen Unsicherheit, als aus der Vorstellung, die ihr Sternberg von der Filmregie vermittelt hatte und die sie die einzig denkbare war.
Ihr bevorzugter Film mit Sternberg ist der siebte, der letzte, The Devil is a Woman – der reißerische Titel ist von der Paramount, nach Sternbergs Willen sollte er »Spanisches Capriccio« heißen. Von ihren gemeinsamen Filmen ist er der abstrakteste du kühlste, am weitesten entfernt von dem, was Hollywood und das amerikanische Publikum erwarteten. Masken durschauen, bei aller Hilfe, die das Drehbuch liefert, war ei auf Entertainment eingestelltes Publikum nie gelehrt worden. Die spanische Regierung bestand für den Schimpf, den der Film ihrem Land angetan hatte, auf seiner Vernichtung und drohte mit dem Boykott aller amerikanischer Filme. Das Studio zerstörte das Negativ; den Kopien, die man heute sehen kann, liegt Sternbergs eigene zugrunde.
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