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Neue Filmreihe: Ozu Yasujirō
Das Filmmuseum München zeigt vom 4. März bis 22. Juni 2016 eine umfassende Retrospektive des japanischen Regisseurs Ozu Yasujirō.
„Ozus Realismus liegt nicht nur in präzisen Detailbeschreibungen kleinbürgerlichen, japanischen Lebens. Er nimmt ihn so ernst, dass er sich und seinem Medium nicht erlaubt, Illusionen von bewegtem Leben zu erschaffen. Kino bleibt bei ihm, was es ist, eine Abfolge diskontinuierlicher Aufnahmen. Man spürt, wie das Individuelle wimmelt unter der Neutralität und Allgemeinheit seiner emblemhaften Bilder, aber direkter Ausdruck wird ihm nicht gestattet. Ozus Filme sind erbarmungslos. Die Wiederholungen auf allen Ebenen in allen seinen Filmen sind fast unerträglich. Sie beschreiben die Hoffnungslosigkeit einer Klasse, die nie etwas anderes geschafft hat, als das Bürgerliche eine Etage tiefer nachzumachen. Man fragt sich, was die Poesie mancher der Titel mit der Kargheit der Filme zu tun hat. „Weizenherbst“, „Eine Geschichte von schwankenden Gräsern“, „Ein Geschmack von Makrelen-Hecht“. Das ist die poetische Aura der Banalität. Ozus Filme sind faszinierend.“
So schreibt Frieda Grafe in einem ihrer „Filmtips“ in der Süddeutschen Zeitung im Juni 1973 – ein Teaser, würde man heute sagen – für die erste Ozu-Reihe im Filmmuseum München. Viele der gezeigten Filme waren damals ohne Untertitel, Ozu war, bis auf wenige Filme, unbekannt im Westen, man schrieb über Kurosawa – in den britischen Magazinen – und Mizoguchi – in den Cahiers du Cinéma. Ozu war, damals wie heute, ein Filmemacher der Filmemacher, verehrt von Paul Schrader, Wim Wenders, Hou Hsiao-hsien, Chantal Akerman und Pedro Costa.
Die alten Geschichten
Seit diesem Sommer 1973 ist Ozu präsent in München, regelmäßig hat es Retrospektiven gegeben, komplett oder in Auswahl, man konnte immer wieder zurückkehren zu ihm, seine Vorstellungen vom Kino in diesen Filmen herausbilden, heimisch werden in diesem so stoisch unnahbaren Werk. Der japanischste aller Filmregisseure wurde er immer wieder genannt, inzwischen hat er Kurosawa und Mizoguchi hinter sich gelassen und sein Werk ist beispielhaft geworden fürs Kino, seine Möglichkeiten und seine Modernität: ein Glücksfall.
Ozu Yasujirō wurde am 12. Dezember 1903 geboren, gestorben ist er am 12. Dezember 1963. Er kam in den 1920er-Jahren zum Kino, hat sich in diversen Genres versucht, viele Studentenklamotten und Gesellschaftskomödien gedreht, dem Slapstick nicht abgeneigt und in Verehrung für Lubitsch und Harold Lloyd. Dann, in den 1930er-Jahren, hat er sich aufs shomin-geki spezialisiert, jene japanische Variante des melodramatischen Kammerspiels, die er, in westlicher Wahrnehmung zumindest, so perfekt verkörpert mit seinen Filmen und der er systematisch alle melodramatischen Effekte ausgetrieben hat. Sein treuer Drehbuchmitschreiber Noda Kōgo hat ihm dabei geholfen, von vielen Flaschen Sake unterstützt. Melodramatisch sind diese Filme nur noch durch ihren Willen zum Innehalten, zum Verstummen, zur Retardation. Zu Trinksprüchen. Das Werk läuft aus, in aller Ruhe und Gelassenheit.
Lesen Sie hier (pdf) den vollständigen Text von Fritz Göttler sowie das vollständige Programm der Filmreihe.
Ein Programm in Zusammenarbeit mit der Japan Foundation Tokyo, dem Japanischen Kulturinstitut Köln und dem National Film Center / Museum of Modern Art Tokyo.